Inhalt des Kurses
Bachelorarbeiten Interaktionsgestaltung
In der Bachelor-Arbeit im 7. Semester bearbeiten die Studierenden anhand eines frei wählbaren Themas ein Gestaltungsprojekt, in dem sie ihre erlernten Kenntnisse in Recherche, Konzept und Entwurf praktisch anwenden.
Interaktionsgestaltung
Semesterjahr7. Semester
habitat
habitat ist eine Konzept für eine digitale Browseranwendung. Es soll zur Aufklärung und Motivation einer neuen Generation junger Waldbesitzer beitragen und die komplexe Waldbewirtschaftung durch abstrahierte Digitale Zwillinge greifbarer machen.
Wald in Deutschland
Wälder tragen mit ihren Schutzfunktionen zu einer gesünderen Umwelt bei, liefern Rohstoffe, stellen Arbeitsplätze und erfüllen wichtige Erholungsfunktionen. Auch in Deutschland bedecken Wälder eine Fläche, die Ökologisch und Ökonomisch unentbehrlich ist. Dabei sind wir mit 31% bewaldeter Gesamtfläche eines der waldreichsten Länder der Europäischen Union. Ungefähr die Hälfte dieser 11,4 Mio. Hektar befindet sich in Privatbesitz, 50% dieser privaten Flächen sind dabei kleiner als 20ha (≈14 Fussballfelder). Diesen Umständen verdankt Deutschland einen überdurchschnittlich hohen Anteil privater Waldbesitzer mit kleinen und zersplitterte Waldflächen.
Der Anteil dieser kleinen Wälder steigt durch die Urbanisierung, Erbschaften, Auflösungen, Verkäufe und einer neuen Wertschätzung für den heimischen Wald immer weiter an – und damit auch die Zahl der neuen und meist unerfahrenen Waldbesitzer in Deutschland.
Neue Generation Waldbesitzender
Wie alle Wälder hat auch der Privatwald mit mehreren Krisen zu kämpfen, wie extreme Klimaveränderungen oder ein steigender Schädlingsbefall. Zu den allgemeinen Problemen unserer Wälder kommen im kleinen Privatwald noch eine ganze Reihe besonderer Herausforderungen auf eine neue Generation junger Waldbesitzender zu.
Aufgewachsen in Städten oder weit weg von ihrem großelterlichen Waldstücken fehlt vielen “urbanen Waldbesitzern” ein persönlicher Bezug und damit oft die Motivation für die Pflege ihres Waldes. Die schlechte Datenlage im Forst, besonders für Privatpersonen, macht eine Planung ohne externe Hilfe dabei gefährlich und zeitintensiv. Forstberater versuchen normalerweise an neue Waldbesitzer heranzutreten und diese kostenlos zu beraten. Die Erwartungen der Forstberater sind allerdings durch die jahrzehntelange Arbeit mit traditionellen, erfahreneren landwirtschaftlichen Waldbesitzern geprägt, ihnen fehlen die Werkzeuge um auf eine neue Generation passiver und uninformierter Waldbesitzer einzugehen.
Projektziele
In der Entwicklung unseres Konzeptes möchten wir versuchen die Überwachung aus der Ferne – das Fernmonitoring – für kleine private Waldflächen zugänglicher zu gestalten und die Nutzenden durch eine spielerische Visualisierung motivieren sich mit ihren Waldflächen auseinanderzusetzen und ihn kennenzulernen.
Regeln des Systems
Zu Beginn der Ausarbeitung stellten wir Prinzipien auf, die uns durch den gesamten Entwurfsprozess leiten sollten. Besonders wichtig war uns die Zugänglichkeit der Anwendung, die Möglichkeit Dinge zu entdecken, sowie die einfache Aufbereitung von Daten.
Zugänglichkeit
Durch die Implementierung als Browseranwendung ermöglichen wir allen Nutzenden einen plattformunabhängigen Zugriff auf die Anwendung. Um den Waldzustand auch bildlich visualisieren zu können, kombinierten wir Interface Komponenten mit Illustrationen. Niederkomplexe Komponente werden dadurch inhaltlich unterstützt. Je tiefer der Nutzer in die Anwendung und seine Daten eintaucht, desto “seriöser” wird die Gestaltung der Module.
Datengrundlage
Die Datenwelt der Forstwirtschaft ist momentan sehr undurchsichtig und lückenhaft. Eine Aussagekräftige Datenerfassung von Waldflächen, wie mit der Bundeswaldinventur alle 10 Jahre, ist mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Das Fernmonitoring durch Satelliten und Flugzeuge sowie die anschließende Fusion von Daten wird dabei immer wichtiger. Nach einer gründlichen Recherche stießen wir auf die Datensätze der Sentinel-1 und Sentinel-2 Stalliten der European Space Agency (ESA). Sie erfassen Veränderungen der Vegetation und sind mit ihren kurzen Aufnahmeabständen von 5-6 Tagen hervorragend für Abbildungen einer zeitlichen Entwicklung geeignet. Zusätzlich konnten wir durch Gespräche mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) auf Datensätze zugreifen, die eine ganze Reihe von Waldeigenschaften abbildeten. Später importierten wir diese in Mapbox um sie in Prototypen mit realen Daten zu verwenden.
Auch maschinelles Lernen findet seit einigen Jahren in der Forstwirtschaft Einzug: Um die hohen Kosten von Befliegungen zu Umgehen wird bspw. versucht eine Einzelbaumerkennung mit Hilfe von Deep-Learning Modellen aus Satellitenbildern vorzunehmen. Allerdings stecken diese Modelle noch in ihren Kinderschuhen und sind durch die benötigten hochauflösenden Satellitenbilder teuer durchzuführen.
“Abstrakte” Digitale Zwillinge
Zusätzlich zur Kartenansicht mit Visualisierungen verschiedener Datensätze wollten wir dem Anwender ein abstrahiertes Abbild seines Waldes zur Verfügung stellen: einen stilisierten digitalen Zwilling, der einen schnellen Überblick über den Zustand des eigenen Waldes ermöglichen sollte.
Unser Ziel war dabei nicht die möglichst genaue Abbildung der Realität, sondern ein herunterbrechen des Waldes in seine für unerfahrene Waldbesitzer wichtigsten Bestandteile.
Während dem Onboarding gibt der Waldbesitzer die Koordinaten seines Flurstücks (1) an und erstellt den Grundriss seiner Fläche (2). Anschließend wird diese “pixelisiert” und in Planquadrate aufgebrochen (3).
Der “Gelände-Bereich” in der Mitte der Planquadrate ist Vordefiniert und basiert auf echten Daten. Darin wird das am meisten vorkommende Gelände in einem Gebiet als leicht zu lesende Illustration dargestellt, wie etwa Mischwälder, Nadelwälder, Flüsse, Brachflächen oder Wiesen. Die Bereiche links oben und rechts unten sind für visuelle Darstellungen reserviert, die der Nutzer zu seiner Karte hinzufügen kann (1).
Durch drei Grade der “Pixelisierung” können einzelne Planquadrate in einer Zoomfunktion geviertelt oder gesechzehntelt werden (2).
In Kombination mit forstlichen Datensätzen könnten so detaillierte, aber dennoch auf das Wesentliche heruntergebrochene Digitale Zwillinge von Wäldern gestaltet werden. Der abstrahierte Digitaler Zwilling hilft dabei einen schnellen Überblick über die Waldentwicklung zu bekommen und bei der räumlichen Dokumentation von Ereignissen. Den Waldbesitzenden soll auf eine visuell ansprechende und natürlichere Art der Zustand ihres Waldes angezeigt werden. Da auch die abstrahierte Karte auf realen Daten des eigenen Waldes basiert, müssen sich die nutzenden auch um ihren echten Wald kümmern, um Einfluss auf den Digitalen Zwilling zu nehmen.
Module in Abhängigkeit
Durch die Kombination der zu Beginn festgelegten Zielsetzung, der Datenblock-Komponenten und der Kartendaten werden Einblicke über den aktuellen Zustand der Waldfläche angegeben. Anhand dieser können dem User geeignete Maßnahmen vorgeschlagen werden.
Navigation
Falls eine Person mehr als ein Flurstück besitzen sollte, kann sie in der Wald-Auswahl oben links eine andere Fläche auswählen. Für jede wird ein eigener Workspace und digitaler Zwilling generiert. Über den Messenger kann Kontakt mit anderen Akteuren in der Anwendung aufgenommen werden, daneben das Profil des angemeldeten Nutzers und in der Mitte die Navigation zwischen den Hauptseiten.
Entdecken
Die Seite Entdecken bildet den Ausgangspunkt der Anwendung und kombiniert Aspekte der Gamification mit dem digitalen Zwilling. Hier sieht der Nutzer die Abbildung seines Waldes auf dem linken Canvas, rechts seine aktuellen Quests und Entdeckungen.
Karte
Die Karte des Abstrakten Digitalen Zwillings zeigt eine vereinfachte Ansicht des tatsächlichen Zustands der eigenen Waldfläche. Hier werden eigene Entdeckungen und automatisch erkannte Einblicke dargestellt. Über das Komponent unten links kann der Anwender den Pixelisierungs-Grad der Karte manuell einstellen, um eine detailliertere Variante der Karte zu bekommen.
Entdeckungen
Entdeckungen spiegeln die einzigartigen Ereignisse, Objekte und Orte wieder, auf die man in einem Waldstück treffen kann. Entdeckungen können über die Toolbar (1) direkt auf der Karte platziert (2) und mit eigenen Notizen oder Anhängen versehen werden (3).
Quests
Elemente der Gamification, wie Quests, wo beispielsweise das Markieren einer Pilzsammelstelle auf der Karte oder das Durchführen einer Kontrolle nach Schädlingen gefragt ist, lässt den Wald des Nutzers weiter im Rang aufsteigen.
Planen
Auf der Planen-Seite steht das Einsehen und Verwalten der standortspezifischen Walddaten im Vordergrund. Sogenannte Einblicke lassen den Nutzer Veränderungen in seinem Wald auf einen Blick erkennen. Anhand dieser lassen sich dann, wenn nötig, Maßnahmen ableiten und planen. Eine Karte im rechten Bereich zeigt den Standort der Einblicke, falls möglich.
Datenblöcke
Datenblöcke (1) stellen verschiedene Gruppen der relevantesten Daten des Waldstücks dar. Sie bilden das Fundament für die Generierung von Einblicken und beeinflussen je nach Anzahl und Kombination die Komplexität der Software. Generell gilt: je mehr Datenblöcke der User hinzufügt (2), desto spezifischer werden die gezeigten Einblicke.
Über die Datenreihen können zusätzliche Informationen aufgerufen werden.
Einblicke
Einblicke (1) werden durch das gesammelte Wissen der Datenblöcke auf dem Canvas generiert. Sie zeigen die wichtigsten Ereignisse am Standort des Flurstücks wie größere Schadflächen oder Warnungen über längere Trockenperioden. Über eine onHover Interaktion (2) gelangen User auf die direkte Massnahmen-Planung für den spezifischen Einblick.
Maßnahmen
Maßnahmen existieren nur im Kontext mit Einblicken. Sie sind direkte Reaktionen auf die Aussagen der Einblicke. In ihnen werden dem User effektive Wege aufgezeigt mit den positiven, neutralen oder negativen Neuigkeiten der Einblick-Komponenten umzugehen. Nach der Erkundung aller Möglichkeiten können die gewählten Massnahmen als Plan abgespeichert werden, zur späteren Einsicht oder Dokumentation.
Dokumentation
Einblicke und gewählte Maßnahmen können auf der Planen-Seite zusammengefasst (1) und als kompakter, ausklappbarer Plan in der Dokumentation gespeichert werden (2).
Forum
Auf der Seite Forum soll der Austausch von Erfahrungen, Ausrüstung und Arbeitskraft unter Waldnachbarn erleichtert und die Waldarbeit mit sozialer Freizeitbeschäftigung kombiniert werden.
Das Forum ist angelehnt an die Idee eines klassischen Schwarzen Brettes. Fragen, Angebote oder informationen können erstellt (2) und an die “Wand geheftet” werden. Andere können kommentieren, bookmarken oder privat Antworten. Über die Community Map können Waldbesitzende ihre nähere Umgebung nach Gleichgesinnten absuchen (1).
App
Die App deckt die Funktionalität der Browser-Anwendung ab, bietet aber
zusätzliche Funktionen durch die Orientierung im Wald via GPS (1) und der Smartphone-Kamera. So kann der Nutzer beispielsweise, mithilfe von Bilderkennung, unbekannte Arten identifizieren (2). Neben dem Lerneffekt können so mehr Daten über das eigene Waldstück gesammelt und dokumentiert werden.
Das Konzept eines stilisierten und abstrahierten, digitalen Zwillings lässt sich auch auf andere Bereiche anwenden. Eine Anwendung im landwirtschaftlichen Sektor ist für uns beispielsweise gut vorstellbar.
Der modulare Aufbau der Applikation erlaubt jede Menge Raum für mögliche Erweiterungen. Datenblöcke könnten theoretisch grenzenlos hinzugefügt werden, würde die Technologie bei der Datenerfassung nicht irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Alle Experten, mit denen wir gesprochen haben, waren jedoch zuversichtlich, dass sich, hinsichtlich der technischen Möglichkeiten, innerhalb der nächsten Jahre noch einiges tun wird.
Nico Gaupp, Katja Roessler, Jonas Pflug
BetreuungProf. Daniel Utz, Prof. Michael Schuster
VeröffentlichungWintersemester 2021 / 22
TagsSoftware App Datenvisualisierung Wissensvermittlung Vernetzung Umwelt Gamification Monitoring Kartographie Interface Design
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Heike S.
Team Habitat
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